Vorschulkinder und Lernen: So erkennst Du Lernfenster

Ein Puzzle, das gestern noch uninteressant und schwer war, ist heute spannend und klappt plötzlich wie von selbst. Beim Spaziergang erkennt das Kind auf einmal Buchstaben auf Schildern, Türen oder Plakaten und aus dem Moment wird ein spontanes, lustiges Buchstaben-Spiel. Diese Szenen wirken fast magisch, doch sie sind ein klares Zeichen dafür, dass gerade ein „Lernfenster“ geöffnet ist.
Lernfenster beachten: der unterschätzte Schlüssel
Neurowissenschaftliche Forschung zeigt, dass Kinder in bestimmten Phasen besonders empfänglich für bestimmte Inhalte sind. Manfred Spitzer spricht in diesem Zusammenhang von „sensiblen Phasen“, in denen Lernen nicht nur leichter, sondern nachhaltiger gelingt.
Typische Hinweise auf geöffnete Lernfenster:
- Zahlen & Logik: Kinder beginnen, Zahlenreihen zu wiederholen oder erste Mengen zu vergleichen.
- Sprache & Musik: Plötzliches Interesse an Reimen, Liedern oder neuen Wörtern.
- Raum & Formen: Begeisterung für Bauen, Stapeln und kreative Gestaltung.
Wer diese Momente nutzt, unterstützt den natürlichen Lernprozess optimal. Wird das Fenster verpasst, bleibt Lernen möglich, doch oft deutlich mühsamer.
Moderne Lernmethoden statt sturem Auswendiglernen
Stumpfes Auswendiglernen ist weder nachhaltig noch motivierend. Moderne Lernmethoden setzen auf gehirngerechtes Lernen: spielerisch, emotional und anschaulich.
Die Arbeiten von Vera F. Birkenbihl zeigen beispielsweise, dass Menschen besonders gut lernen, wenn sie Inhalte mit Handlung, Emotion und Interesse verbinden. Was bedeutet das für ein Vorschulkind?
Hier ein paar Beispiele, wie sich Themen besser lernen lassen:
- Gelerntes Wissen einfach nachspielen. Bienen trinken Nektar aus Blumen? Dann „fliegt“ mit den Kindern mit einem Strohhalm im Mund durch den Garten und trinkt Nektar.
- Buchstaben und Zahlen im Sand oder mit Kreide nachzeichnen. Den Namen mit Kreide auf die Straße malen oder mit einem Stock in den nassen Waldboden schreiben, macht den meisten Kindern viel Spaß und hat einen wunderbaren Lerneffekt.
- Eigene kleine Geschichten erfinden oder erzählen. Ihr lernt gerade alles über unsere Kontinente? Dann lest oder erfindet eine spannende Abenteuergeschichte von jemandem, der eine Weltreise macht.
- Alltagsaufgaben wie Kochen oder Basteln nutzen, um Zahlen, Formen und Abläufe zu erfahren. Wieviel Gramm Mehl müssen in den Kuchen? Wieviele Samen gebe ich in die feuchte Erde, um Tomaten zu pflanzen? Und welche Form sollen die Kekse haben, die wir ausstechen?
Solche Methoden fördern nicht nur die Aufnahmefähigkeit, sondern auch die Freude am Lernen. Ein entscheidender Faktor, um Wissen langfristig zu verankern.
Wie erkenne ich Lernfenster und kann sie nutzen?
Damit Du Lernfenster gezielt nutzen kannst, empfehlen Experten:
- Aufmerksamkeit und Beobachtung: Schau genau, welche Themen Dein Kind von sich aus interessieren. Spontane Begeisterung ist ein zuverlässiger Indikator für ein Lernfenster.
- Konkrete, spielerische Impulse geben: Nutze Alltagssituationen oder kleine Experimente. Wichtig ist, dass Lernen mit Freude verbunden wird.
- Vielfalt der Sinne einbeziehen: Kinder lernen schneller, wenn sie sehen, hören, fühlen und handeln, z. B. durch Nachspielen, Sand, Kreide oder Geschichten.
- Selbstwirksamkeit fördern: Kinder sollten erleben, dass sie Aufgaben selbst lösen können. Das stärkt Motivation und Selbstvertrauen.
- Geduld und Timing: Nicht jedes Lernfenster öffnet sich gleichzeitig. Erzwingen funktioniert nicht. Beobachten und begleiten ist der Schlüssel.
Lernen ist kein starres Programm, sondern eine Serie von Momenten, die wir erkennen und nutzen können. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene haben Lernfenster. Phasen, in denen sie besonders empfänglich für Neues sind. Wer Lernen stärker an Interesse, Neugier und Freude orientiert und nicht nur auf Auswendiglernen und stures Pauken setzt, erreicht bessere und nachhaltigere Ergebnisse. Das gilt für Kinder genauso wie für Erwachsene.

