Stillen – Fakten & Vorurteile

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Mir ist als stillende Mama im letzten Jahr etwas passiert, das mich sehr geärgert und auch schockiert hat. Ich war in der Notaufnahme und sollte ein Medikament verschrieben bekommen. Der Arzt, der mich untersuchte, wollte gerade ein Rezept ausstellen als ich ihn daraufhinwies, dass ich stille und ihn bat, mir ein Medikament zu verschreiben, dass sich mit dem Stillen verträgt. Er schaute mich an und fragte, wie alt mein Kind sei. Ich sagte es ihm, obwohl diese Information völlig irrelevant für ihn sein sollte. Und was er dann sagte, ließ mich fast vom Stuhl kippen. Er sagte im vollem Ernst, dass Kinder sobald sie mit der Beikost beginnen, abgestillt werden sollten. Sie bräuchten dann keine Muttermilch mehr und längeres Stillen sei schlecht für ihren Entwicklungsprozess. Ich war zunächst einmal fassungslos, dass ein Arzt so schlecht informiert über das Stillen ist, dies zudem nicht sein Fachgebiet ist und er sich dennoch herausnimmt mich zu belehren, wie lange ich zu stillen habe. Ich holte tief Luft und entgegnete ihm, dass es meine Entscheidung als Mutter sei, wie lange ich stillen möchte und er mir doch bitte einfach ein passendes Medikament raussuchen solle. Doch damit war es nicht getan. Er hob die Augenbraue und sagte, dass er nicht wisse, welche Medikamente stillfreundlich seien und ich mich deshalb entscheiden solle, ob ich abstille und das Medikament nehme oder weiterstille und die Schmerzen bleiben. Ich war schockiert, dass er das wirklich sagte. Doch ich versuchte ruhig zu bleiben. Ich zückte mein Handy, bat ihn mir den Namen des Medikamentes zu nennen, so dass ich selbst nachschauen könnte, ob es für stillende Mütter erlaubt sei und falls nicht, welche Alternative es gäbe. Ich spürte, dass er mir das verweigern wollte. Eine unangenehme Gesprächspause entstand. Dann nannte er mir schließlich den Namen und ich schaute bei Embryotox nach. Das Medikament war nicht geeignet für das Stillen. Aber er verschrieb mir tatsächlich ein alternatives Medikament, das ich als stillende Mutter nehmen konnte. Als ich aus dem Arztzimmer kam schäumte ich innerlich vor Wut! Vor allem bei dem Gedanken, dass es vielleicht stillende Frauen gibt, die sich in einer solchen Situation von einem Arzt verunsichern lassen würden.

Als stillende Mama bin ich in mehrere Situationen geraten, die mich sehr irritiert oder auch sehr geärgert haben. Nicht alle waren so extrem wie die eben geschilderte, aber es passiert einfach viel zu oft, dass andere Menschen sich gegenüber stillenden Frauen daneben benehmen. Eines haben aber all diese schrägen Momente gemeinsam: es fehlte den beteiligten Personen an Wissen über das Stillen und häufig leider auch an Feingefühl. Ich bin bis heute erstaunt, dass es so viele Vorurteile und Fehlinformationen über das Stillen gibt und dass ich so oft erleben musste, dass grundlegendes Wissen zu dem Thema fehlt.

Wir müssen mehr über das Stillen sprechen, uns häufiger darüber austauschen und vor allem auch mehr Wissen mit den Frauen teilen, die gerade schwanger sind oder schon in der Stillzeit sind. Nur so können wir stillenden Müttern Mut machen, sie unterstützen und bestärken.

Schwerer Stillstart

Als mein Sohn geboren wurde war der Beginn unserer Stillbeziehung alles andere als einfach. Durch den Kaiserschnitt dauerte es bis ich genug Milch hatte. Und dann kam noch ein Krankenhausaufenthalt hinzu, der den Beginn des Stillen noch deutlich erschwerte. Ich habe diese Erfahrung in diesem Blog mit allen geteilt, weil ich es so wichtig finde dadurch anderen Müttern Mut machen zu können und wichtige Tipps zu geben, die ich damals gerne gekannt hätte. Im Nachhinein bin ich noch immer schockiert darüber, dass die Krankenschwestern auf der Intensivstation für Säuglinge mich bei meinem Wunsch zu stillen so wenig unterstützt haben und es einzelne Schwestern gab, die mir den Wunsch zu stillen sogar ausreden wollten. Und ich finde es noch immer sehr traurig, dass es in dem Krankenhaus nur sehr wenige Hebammen gab, die mich wirklich bezüglich des Stillens gut und kompetent beraten haben. Es hat einige Wochen, Schmerzen und einige Zeit an der Milchpumpe gebraucht bis das Stillen letztendlich klappte und ich es genießen konnte.

Ich habe immer geglaubt, dass Stillen ganz einfach sei. Nach der Geburt schießt die Milch in die Brust, man hebt das Baby zur Brust, es trinkt und alles ist gut. Ich weiß nicht, ob es Frauen gibt, bei denen es so einfach ist. Ich persönlich kenne keine. Meine Erfahrung war eine andere und auch meine Freundinnen haben mir bestätigt, dass es bei ihnen auch nicht einfach war. Tatsächlich gibt es zig Probleme, die auf stillende Mütter zukommen können: wunde Brustwarzen, Schmerzen, Brustentzündung, Milchstau und natürlich auch die Angst, ob genügend Milch vorhanden ist, um das eigene Kind satt zu bekommen. Oben drauf kommen dann noch Bemerkungen von Außen, die extrem verunsichern können. So behaupten Außenstehende manchmal, dass Muttermilch Schadstoffe enthalte und Fertigmilch besser sei. Oder dass die weibliche Brust nach der Stillzeit entstellt sei. Ich habe auch schon gehört, dass Kinder, die „zu lange“ gestillt werden, verwöhnt und in ihrer Entwicklung behindert werden würden. Es ist wirklich unglaublich, wie viel Blödsinn man sich als stillende Mutter oft anhören muss! Und leider verunsichern und verletzen solche Äußerungen oft.

Hilfreiche Fakten zum Stillen

👉  Es spielt keine Rolle wie groß die Mutterbrust ist! Die Größe der Brust hat keinen Einfluss auf die Milchmenge.
👉  Brüste können nicht leergetrunken werden. Die Brüste produzieren Milch bedarfsgerecht und sind niemals leer.
👉  Stillkinder schlafen nicht schlechter als Flaschenkinder. Ob ein Kind durchschlafen kann hängt nicht davon ab, ob es Muttermilch bekommt oder nicht, sondern hat etwas mit dem Reifungsprozess zu tun.
👉  Stillen führt nicht zu hässlichen, hängenden Brüsten. Die meisten Mütter erlangen ihre alte Brustform zurück, wenn sie ihr Ausgangsgewicht wieder erreicht haben.
👉  Bei einer Brustentzündung muss nicht abgestillt werden
👉  Muss die Mutter Medikamente einnehmen, gibt es meisten Fällen ein Medikament, dass sich mit dem Stillen verträgt. Am besten bei Embryotox nachschauen
👉  In vielen Situationen kann eine Milchpumpe hilfreich sein, zum Beispiel um die Milch­produktion anzuregen (nach einem Kaiserschnitt) oder wenn die Mutter mal länger weg ist (weil sie zum Beispiel arbeiten geht)

Zum Glück gibt es Hebammen und Stillberaterinnen, die sich gut mit dem Stillen auskennen und Müttern eine große Hilfe sein können. Wer gerne stillen möchte und noch keine Erfahrungen damit hat (weil es beispielsweise das erste Kind ist) oder unerwartete Problem auftauchen, dem kann ich nur ans Herz legen, sich jemanden zu suchen, der kompetent in diesen Dingen beraten kann. Auch im Internet finden sich inzwischen einige Hilfestellungen von Hebammen und Stillberaterinnen. Und nicht nur auf Stillseiten wird das Thema ausführlich behandelt, auch immer mehr Magazine und Blogs nehmen sich glücklicherweise dem Thema an. Im Blog von Douglas erklärt Hebamme Evi Bodman zum Beispiel wie sich ein Milchstau lösen lässt. Ich finde es toll, dass das Stillen in verschiedenen Formaten und auf unterschiedlichen Blogs und Online-Magazinen behandelt wird.

Langzeitstillen

Eine Mutter, die ihr Kind länger als zwölf Monate stillt, wird schon als Langzeitstillende bezeichnet. Das ist kurios, denn sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Kinder zwei Jahre oder darüber hinaus zu stillen und diese Empfehlung gilt nicht nur für Entwicklungsländer, sondern für alle Mütter weltweit. Auch haben Kinder noch bis zum Alter von vier bis sechs Jahren einen Sauginstinkt. Diesen würde es kaum geben, wenn die Natur es vorgesehen hätte, dass Kinder schon nach wenigen Monaten abgestillt werden. Jede Mutter sollte frei entscheiden dürfen, ob und wie lange sie stillt. Keine Frau sollte verurteilt werden, weil sie sich gegen das Stillen entscheidet oder – andersherum – ihr Kind gerne zwei oder noch mehr Jahre stillen möchte. Es wäre schön, wenn Mütter diese Entscheidung treffen könnten ohne einen Druck von Außen zu spüren.

Wie zu Beginn des Artikels erwähnt, habe ich negative Erfahrungen gemacht, weil ich mein Kind länger als sechs Monate gestillt habe. Und da ich in den Dialog mit den Menschen getreten bin, habe ich festgestellt, dass viele das Stillen als reine Nahrungsquelle für Babys sehen. Dem ist nicht so! Deshalb möchte ich zum Schluss noch ein paar interessante Fakten zum Stillen teilen.

Vorteile vom Stillen

👉 Muttermilch hilft bei der Entwicklung eines starken Verdauungs- und Immunsystems.
👉 Stillen reduziert das Risiko des plötzlichen Kindstods um 50 Prozent
👉 Bei Stillkindern sinkt das Risiko deutlich später einmal Allergien zu entwickeln, übergewichtig zu werden oder an einer Mittelohrentzündung oder Diabetes zu erkranken
👉 Gestillte Babys verfügen über 20-30 Prozent mehr weiße Substanz in ihrem Gehirn
👉 Das Risiko an Brustkrebs zu erkranken sinkt für die Mutter um 4,3 Prozent für jedes Jahr Stillen
👉 Stillen über das erste Lebensjahr hinaus reduziert um mehr als ein Drittel das Risiko der Mutter Eierstockkrebs zu bekommen
👉 Muttermilch hat antimikrobielle und entzündungshemmende Eigenschaften und kann auch äußerlich als Heilmittel angewendet werden

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Katharina Kokoska

Mama eines wundervollen Sohnes // Frau eines fantastischen Mannes // Bloggerin // Informatikerin // Nach-Gran-Canaria-Ausgewanderte

2 Antworten

  1. Franziska sagt:

    Mir ist etwas Ähnliches passiert. Ich war beim Augenarzt mit meinem großen Sohn und meinem Baby. Während mein großer Sohn von der Ärztin untersucht wurde, wollte mein Kleinster stillen. Also los. Da guckte sie mich an und bat mich das Zimmer zu verlassen. Ich erinnere mich nicht mehr an alles. Nur, dass ich geblieben bin. Als sie fertig war, sagte sie mir, dass ich vorne einen Termin machen kann. Meine Antwort war, dass ich das ganz sicher nicht tun werde. Ich war auch so wütend über so ein übergriffiges Verhalten. Als wären wir Mütter unwissend und unmündig. -Ist klar 😉

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